Schulschluss – ein (sehr) persönlicher Brief

Tage nach der letzten Station meiner Bildungstour durch die Wiener Parks vor dem Sommer habe ich gestern Hannah kennen gelernt. Sie lebt mit ihrer Mutter, Alleinerzieherin, in Wien. Sie geht in die dritte Klasse einer Volksschule, mitten in Favoriten. Wir haben sofort, und fast die ganze Zeit, über die Schule gesprochen. Das passiert mir in den letzten Jahren ziemlich häufig, sobald die Kinder und ihre Eltern hören, dass ich selber Lehrer wäre…

Ihre Augen strahlten, als sie mir von ihren Projekten der letzten Wochen erzählte.  Auf meine Frage, ob ihr denn Schule immer so viel Spaß mache, fing sie an, mir zu berichten:

Sie dürfe in der Schule Fragen stellen, die freundlich beantwortet werden. Alle, nicht immer gleich und sofort, aber dann mit einem Versprechen, es später zu erklären. Und dieses Versprechen hält die Lehrerin. Immer.

Sie stehe auf, wenn sie das Bedürfnis nach Bewegung hat. Sie bekomme positive, verstärkende Rückmeldungen wenn sie erfolgreich ist. Aber auch Fehler machen, scheitern ist möglich. Denn aus diesen könne sie viel lernen.

Hannah sagt, sie wird die Zeit in der Schule vermissen. Sie freue sich auf den Urlaub mit ihrer Mutter, das Highlight des Sommers wird aber wieder der erste Schultag im September sein.

 

Es ist erstaunlich, die vielen Hannahs auf der einen und die tausenden Kinder und Jugendlichen auf der anderen Seite. Jene, die Schule schon lange nicht mehr als sinn- und lustvollen Ort erleben. Sie haben ihre natürliche Neugier verlernt. Sie sind nur mehr auf „Durchtauchen“ aus. Mit ihren Eltern werden sie Partys schmeißen, wenn die Schule geschafft ist. Sie freuen sich über ihren Abschluss – aber noch mehr über die neu gewonnene Freiheit, darüber, nicht mehr diszipliniert zu werden. An den Beginn ihrer Schulzeit, als sie, wie Hannah, voll Neugier und Tatendrang in das Abenteuer Schule gegangen sind, können sich die meisten nicht mal mehr erinnern.

Gemessen in ihren Schulnoten sind viele dennoch erstaunlich erfolgreich. Viele hassen Chemie, Turnen, Mathematik, Latein, andere langweilt Musik, Zeichnen und Deutsch. Dennoch haben sie dort oft eine gute Note, denn sie haben gelernt „zu leisten“. Aber um welche Art von Leistung geht es hier? Sind sie in den Fächern, deren Inhalten, aufgegangen? Waren sie mit Herz und Seele dabei und haben so ihr Bestes gegeben oder haben sie gelernt, sich anzupassen? Fragen zu beantworten, die sie selber niemals gestellt hätten. Hat ihnen Lernen, um des Lernens willen noch Spaß gemacht? Sind sie noch neugierig, so wie es alle von ihnen am Anfang ihres Lebens waren? Sind sie noch aufnahmewillig, bereit, offen ins Leben zu gehen, jeden Tag aufs Neue lustvoll zu entdecken?

 

Ich wünsche mir etwas für jedes Kind, jede junge Frau, jeden jungen Mann, für alle jene, die heute in die verdiente Ferienzeit gehen.

Ich wünsche allen zuerst gute Erholung, ein Auftanken, einen reinen Genuss der freien Zeit. Jenen, die ein Praktikum, erste Berufserfahrungen, machen – ein gutes Gelingen.

Ich wünsche allen, die noch ein oder zwei Bereiche über den Sommer nachholen müssen ein erfolgreiches Tun!

Aber vor allem – wünsche ich euch , so empfinden zu können wie Hannah. Ich wünsche euch eine Schule, in die ihr gerne geht, die ihr in den Sommerferien vielleicht sogar vermisst. Schule soll euch Erfolge bescheren und Scheitern als Gewinn erleben lassen. Und Schule möge euch zeigen: Es gibt etwas, dass jede und jeder von euch wirklich gut kann!

…eine kurze Anmerkung für Mütter, Väter, für die Eltern: die Schule kann gemeinsam mit euch die Kinder nur unterstützen, wenn auch ihr Freiraum gewährt, auch Fehler zulässt – und wenn auch ihr eure Kinder nach besten Kräften unterstützt, ihnen zu jeder Zeit feste, wertschätzende Stütze seid! So gesehen denke ich auch, es gibt keine „falsche“ Schule, keine wertvollere, geschweige denn eine weniger wertvolle. Was zählt, ist das gute, gemeinsame, Tun.

Für jeden Menschen. Für jedes Kind!

Schönen Sommer, Dein, Euer, Ihr Daniel Landau 🙂

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